Soziale Dienste Berlin-Brandenburg e.V.

- Sozial und Systemisch -


Der Verfahrensbeistand – modulare Qualifizierung


Verfahrensbeistände haben eine zunehmend bedeutsame Funktion in familiengerichtlichen Verfahren. Je nach Fallkonstellation sind sie gefordert, mit Ersteinschätzungen zur Familiensituation das richterliche Handeln bei Kindeswohlgefährdungen zu unterstützen und/oder Wunsch, Willen und das subjektive sowie objektive Kindesinteresse zur Geltung zu bringen. Ggf. werden Verfahrensbeistände beauftragt, an der Herstellung von Einvernehmen mitzuwirken. Vorträge der Verfahrensbeteiligten wie auch familiengerichtliche Entscheidungen sind kritisch zu würdigen.

Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen (§158.1 FamFG).


Nach § 158a Satz 1 FamFG ist eine Person fachlich geeignet im Sinne des § 158 Absatz 1, die über Grundkenntnisse auf den Gebieten
• des Familienrechts, insbesondere des Kindschaftsrechts,
• des Verfahrensrechts in Kindschaftssachen und
• des Kinder- und Jugendhilferechts, sowie
• Kenntnisse der Entwicklungspsychologie des Kindes hat und
• über kindgerechte Gesprächstechniken verfügt.

Die persönliche Eignung entsprechend der aktuellen Gesetzgebung (§ 158a Satz 2 FamFG) setzt insbesondere voraus, dass eine Person die Gewähr bietet, die Interessen des Kindes gewissenhaft, unvoreingenommen und unabhängig wahrzunehmen.


§ 158b FamFG: Aufgaben und Rechtsstellung des Verfahrensbeistands
(1) Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er soll zu diesem Zweck auch eine schriftliche Stellungnahme erstatten. Der Verfahrensbeistand hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Endet das Verfahren durch Endentscheidung, soll der Verfahrensbeistand den gerichtlichen Beschluss mit dem Kind erörtern.
(2) Soweit erforderlich kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen.
(3) Der Verfahrensbeistand wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. Er kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Der Verfahrensbeistand ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes.


Dem Satz 2 von §158b FamFG sind weiterführende Qualifikationsanforderungen des Verfahrensbeistands zu entnehmen. Er hat im Falle der Beauftragung:
• Gespräche mit den Eltern zu führen, und
• an einer einvernehmlichen Regelung über dem Verfahrensgegenstand mitzuwirken.

Dem Verfahrensbeistand kommt im „Chor der Verfahrensbeteiligten“ eine gewichtige und entscheidungsrelevante, auch vermittelnde Bedeutung zu.


Wir bieten die folgenden Module an:

1. Eltern im Konflikt

Familiäre Vorgeschichten und Eintritt in die Familiengerichtsbarkeit. Schichtzugehörigkeit und soziales Milieu (vgl. Bourdieu) sowie kultureller Hintergrund / Migration / bikulturelle Beziehungen / Religionen – Umfeld und Dynamik von Elternkonflikten. Zuschreibungen und Stigma. Elternkonflikte und Eskalationsdynamik – Hochstrittigkeit und Kindeswohlgefährdung.
Fallkonstellationen: Sorgerecht, Betreuungs- bzw. Umgangsregelungen, Kindeswohlgefährdung, Rückführung und Verbleibensanordnungen u.a. (vgl. Kindschaftssachen: §151 FamFG).
Hinwirken auf Einvernehmen als familiengerichtliche Aufgabe – Mitwirkung des Verfahrensbeistands (Elterngespräche, Kooperation mit Verfahrensbeteiligten). Systemische Analyse der Familienkonstellation und des Hilfesystems.


2. Kind im Fokus: Familien- und Helfersystem

Exploration - Gespräche mit dem Kind. Gespräche mit Bezugspersonen des Kindes (Eltern, Erzieher, Lehrer, Fachkräfte u.a.). Einschätzung der Lebenssituation des Kindes – Ressourcen, Risiken, Belastungsfaktoren, Hilfebedarf. Gefährdungsbewertung und Hilfebedarf. Akute Kindeswohlgefährdung. Einschätzung von Wunsch und Wille sowie objektiven Kindesinteressen. Die Anhörung des Kindes im Familiengericht. Einschätzung des Handlungsbedarfs im Dialog mit Verfahrensbeteiligten – Berichte, Stellungnahmen und Sachverständigengutachten. Aushandlungsprozesse inkl. familiengerichtliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten (inkl. Eltern, Jugendamt …).


3. Kindschafts- und Familienrecht, Verfahrensrecht, SDB VIII


Intensiver Input für Juristen und Nichtjuristen entlang von Praxisbeispielen und Interessen der Fortbildungsteilnehmer.
Familienrecht inkl. Kindschaftsrecht, Verfahrensrecht (BGB, ZPO und FamFG, soweit relevant). Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII). Mögliche Rechtsmittel von Verfahrensbeiständen zur Vertretung der Interessen des Kindes.


4. Entwicklungspsychologie – Nähe, Vertrauen, rasante Entwicklungsdynamiken

Entwicklungsphasen und Entwicklungsschritte von Kindern und Jugendlichen. Bewältigung von Konflikten und kritischen Familiensituationen. Belastung durch psychische und häusliche Gewalt. Resilienz und Selbstwirksamkeit. Bewältigung von traumatischen Erfahrungen. Besondere Gefährdungsrisiken (Geschlecht, Behinderungen, Loyalitätskonflikte, Umgangsverweigerung, isolierter Familienkontext, Mangel an familiärer Struktur und Missbrauchs-Risiken … ).


5. Verfahrensbeistandschaft in der Praxis

Die Tätigkeit des Verfahrensbeistands im zeitlichen Ablauf anhand konkreter Fallbeispiele. Auf-tragsannahme, Aktenanalyse, Kontaktaufnahme zur Familie und Beteiligten, Gespräche mit dem Kind, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes, Kooperation mit Verfahrensbeteiligten, informelle Rücksprachen und Berichte an das Familiengericht, Antragstellungen und Klärung sachlicher / rechtlicher Fragen, die Anhörung des Kindes durch das Familienge-richt im Beisein des Verfahrensbeistands. Interventionen des Verfahrensbeistands (akute Gefähr-dung des Kindes und anderer Beteiligter).
Kritische Würdigung von Stellungnahmen und Sachverständigengutachten. Antragsstellungen und Rechtsmittel des Verfahrensbeistands und mögliche Verfahrensverläufe (Beschwerde u.a.).


6. Colloquium

Teilnehmer, die alle Module besucht haben bzw. Ersatzleistung oder vorliegende Kompetenzen nachgewiesen haben, stellen ihre Abschlussarbeiten vor (z.B. zu Fallbeispielen, Abhandlungen zu speziellen Themen) und zur Diskussion.
Die Bereitschaft zur Literaturarbeit (Seminarunterlagen, Selbststudium) und zum kollegialen Aus-tausch (Intervision) wird vorausgesetzt. Einzel- und/oder Gruppen-Supervision, auch nach Abschluss der Fortbildung bzw. der Wahrnehmung einzelner Module bei berufsbegleitender Fortbildung, kann ermöglicht werden.


Teilnahmebestätigung und Zertifikate

Für die Teilnahme an den Modulen stellen wir eine Teilnahmebescheinigung aus (im Sinne der fortlaufenden Qualifizierungsverpflichtung für bereits tätige Verfahrensbeistände). Für die Teilnahme an allen Modulen und die Teilnahme am Colloquium mit Vorstellung einer – fachlich überzeugenden - Abschlussarbeit stellen wir das Zertifikat „Verfahrensbeistand“ aus.


Vorgesehene Dozenten:

Catrin Fischer
Diplom-Slawistin. Diplom-Sozialpädagogin (FH). Systemische Beraterin und Supervisorin (SG). Langjährige Tätigkeit als zertifizierter Verfahrensbeistand. Sachverständige.

Jeanette Goslar
Volljuristin, Dipl.-Kriminologin und systemische Therapeutin. Ehemalige Rechtsanwältin. Hamburg.

Dr. Herwig Grote
Diplom-Soziologe, systemischer Therapeut / Familientherapeut, Sachverständiger. Berlin.

Andreas Hornung
Richter am OLG Hamm, 8. Zivilsenat. Ehemals Familienrichter am Amtsgericht Warendorf (vgl. „Warendorfer Praxis“)

Dr. Anne Huber
Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Systemische Familientherapeutin, Mediatorin, Systemische Sachverständige (PTK Berlin; DGSF). Berlin.


Organisation / Termine


Vorgesehene Fortbildungstermine: Bitte per Email erfragen.

Modul 1.
Modul 2:
Modul 3:
Modul 4:
Modul 5:
Modul 6:

Die Fortbildungstermine finden statt:
Freitag, von 12.00 bis 18.00; Samstag von 10.00 bis 18.00; Sonntag von 10.00 bis 16.00.
Ort: SDB e.V., Oldenburger Str. 4 b, 10551 Berlin-Moabit


Die Fortbildungen finden in Präsens statt. Wir halten die persönliche Begegnung für den Lernerfolg für wichtig. Online- bzw. Hybird-Seminare sind möglich, wenn notwendig.


Kosten

Die Teilnahme je dreitägigem Blockseminar kostet 380,00 Euro. Die Teilnahme an der gesammten Fortbildung kostet 1.900 Euro. Ratenzahlung ist möglich.


Kontakt / Info / Beratung

Anmeldungen und jedwede Fragen richten Sie bitte an:


Dr. Herwig Grote

0171-41 110 88

grote@sdb-ev.de